In der bösen Zeit des letzten
Weltkrieges lagen im Torgauer Brückenkopf gefasste Deserteure in den Zellen,
die vorher Napoleons Truppen schon recht gemütlich fanden, ganz zu schweigen
von den Ratten mit Herz, die den Brückenkopf nach Abzug der
russisch-amerikanischen Verbrüderung im letzten Winter des 1000jährigen
Reiches, fortan bevölkern sollten. Diese Geschichte ist nichts gegen die
Anfangsneunzigerjahre, als einige wackere Torgauer Punks, ein Streetworker der
Arbeiterwohlfahrt und ein Pittbullterrier mit Hammer, Sicheln und Sensen, resp.
einem zügellosen Hunger auf Ratte, das alte Bauwerk für sich erobern sollten.
Wäre die DDR zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen, der Song „Auferstanden
aus Ruinen“ hätte seine wahre Würde genau hier, am Brückenkopf zu Torgau,
unweit der Elbe, gefunden.
Am 19. September gegen 22 Uhr 30
also stehen Makarios und Pichelstein auf der Bühne, Volly Tanner führt durchs Programm; im
weiteren Verlauf der Nacht werden noch die soften Punkrocker „D.H.“ und die
Ramones aus Torgau namens „Sperrzone“ erwartet. Punkerpublikum bildet die
Mehrheit vorm Bühnenrund. 150 zahlende Gäste stehen sich gegenseitig in
Knobelbechern und Springerstiefeln. Die Luft ist dünn, der „Rotarmist“
erklingt, dann „Die schöne Welt“. Es dauert noch fünf weitere Songs, mit „Auch
die Ratte hat ein Herz“ und „Jägerlatein“ ist der (von Musikern gefürchtete)
lethargische Punkerbann des 21. Jahrhunderts endlich gebrochen. Sehr lange wird
noch gespielt, ein DIE ART-Songblock auf derbharter Stromgitarre beendet alle
Zugaben. Pichelstein sinkt ins Backstage, Makarios spricht mit einem Mädchen an
der Theke, dass ihn gleich zu schlagen in der Lage ist, wie eine weitere
Punkerin, ganz außer sich, Doktor Pichelstein erzählt. Da es sich bei eben
dieser Punkerin um die Herbergsmutter der lange angebrochenen Nacht handelt,
will man es sich jedoch nicht verscherzen. Brav spricht Pichelstein auf Makarios
ein: „Dieses Mädchen wird dich gleich schlagen, also pass gut auf.“ Makarios,
sehr verwundert ob dieser beängstigenden Kunde, hält es mit Pratajev und seinen
schönsten Träumen, Herbergsmutter und Herbergsvater geleiten die russischen
Doktoren ins Heim für eine Nacht, in dem schon ein kleiner Kampfhund wartet, um
mit dicker Zunge alles mündlich abzuschlecken, was nicht schnell genug rauchen
kann. Herbergsmutter spricht von Wesenstest und Hundesteuer, Pichelstein bereut
den Mischbierkonsum aus Becks und Sternburger Export, Makarios ist auf
Clubcolacitromix umgestiegen.
Am nächsten Tag, auf dem Weg zum
Tourauto, begegnen die russischen Doktoren einem Musiker der Band „Sperrzone“,
welcher die frühen Morgenstunden auf einer Parkbank verbringen durfte.
Schlüssel verloren. Dafür war es ein unvergessenes Fest, da ist man sich
einig.


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