Saturday, September 02, 2006

Nass in Döbeln

11. Juni 2004 - Döbeln/Café Courage, Open Air

 



















Die Chemischen Werke "Kluthe" brennen bei Mügeln, Bewohner halten Türen, Münder und Fenster ausnahmsweise fest geschlossen. Graurauch steigt linker Hand zur A14 Richtung Döbeln auf, russische Doktoren atmen tief durch. Das erste Open Air überhaupt steht auf dem Tourplan. Sonnenstrahlen hatten sich nicht ohne Folgen tagelang durchs Sachsenland geschlemmert. Bekanntlich passt der Mensch sich schlechtem Wetter vorsichtig an, scheint jedoch die Sonne, dreht er durch. So trugen frivole Frauen in Leipziger Parks und Gärten plötzlich nur noch Zahnseide. 

Als Vorgeschmack aufs Spielen unter freiem Himmel wurde Doktor Pichelstein in der Vorwoche ein Paul McCartney-Abend von der Pharma-Industrie gegönnt. Unter 45 000 Ramenterern im Leipziger Zentralstadion - im Rahmen einer Beatles-Orgie - vor Anker zu gehen, war betont nass und interessant. 

Die hauseigene Personage des Döbelner "Café Courage" weist den russischen Medicussen den Weg zur Freilichtbühne, die kein Dach hat, sonst wäre sie eben keine Freilichtbühne. Im Anschluss ans Konzert unter gestirntem Himmel ist eine Filmaufführung geplant. Emsiges Treiben beherrscht das grüne Rund. Geschraubt wird am mächtigen Silbergrill mit dem Ambiente eines Fußballkickers, Pavillons und Planen hübschen das Open-Air-Flair kräftig auf. Nur der Techniker stiert angstvoll in aufziehende Brustwolken der Maße OW 85 D. Ein Döbelner Dackel bellt mit russischem Akzent und will zur Wurst. Doktor Makarios übersetzt: Reines Fleisch und Senf dazu, mehr brauch ich nicht, schon hab ich Ruh. Dann beginnt es zu regnen, eine volle Stunde lang verschieben sich Soundcheck und Bühnenaufbau nach hinten. Doch als bereits erste Bierflaschen zum Zepter der Diskussionshoheit werden, zeigt die Sonne Einsicht und der sozialpädagogisch sattsam bekannte Satz: "Lasst uns optimistisch in die Perspektivlosigkeit blicken", verliert jede Bedeutung. 

Der Soundcheck gelingt, die Gitarren stimmen, The Russian Doctors posen mit imperatorischer Fröhlichkeit für die lokale Kulturseitenpresse, als gäbe es kein Morgen. Ab 21:30 bricht das Arsenal pratajevscher Lehren zum Konzert über die inzwischen gut gefüllte Freilichtbühne herein. Zunächst erdhockend, dann tanzend und klatschend, verliert das Publikum an Contenance. Der Auftritt wird zur Freude in höchster Naturform, bis sich der Regen seiner Pflicht erinnert, alles Arge in diesem Jahr nass machen zu müssen. "Lange Haare" kommen als Schlusssong um 22:30 unters Mikrofonmesser, dann bewahren schnelle Hände sämtliche Bühnentechnik vor großem Wasserfiasko. Eine kleine Taschenlampe brennt Doktor Pichelstein den matschigen Weg zum Auto; Zeit für einen kleinen Umzug der Garderobe muss sein. Auf der Filmleinwand komplettiert "Das weiße Rauschen" den Abend, später, an einem hölzernen Tisch im Café Courage, verflüssigen sich Wort und Trank bis unweiter Schlaf Doktoren übermannt. 

Während diese Zeilen in das nun fast 1-jährige Tourtagebuch geschrieben werden, ruft Manager Stev an: "Schreib, dass ich gestern arbeiten war. In Dresden bin ich wieder dabei."

Anmerkung des Makarios:
Der Zufall wollte es, dass Doktoren- und Heimatliedermischer Veit das Midas Tonstudio mit der Stadtfestbühne Döbelns tauschte. Und wären nicht widrige Stromlosigkeiten Ursache für erhöhten Arbeitsaufwand gewäsen, wär der Veit sicher ins Doktorenpublikum geeilt. So teilten sich Doktoren und Techniker die Stadt auf verschiedenen Plätzen, wobei, das schönere Konzert war sicher das der Doctors, nicht wahr?


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