Saturday, September 02, 2006

Vogelhochzeit & Karibik-Träume

11. März 2004 - Erfurt/E-Burg

Ein unscheinbarer Rastplatz auf der A4, lange hinter Jena, kurz vor Erfurt, ist der "Schorbaer Berg". Eigentlich besteht er lediglich aus zwei hellblauen Dixieland-Chemietoiletten, einem typisch thüringischen Schlemmerverschlag, mehreren Müllkübeln, sowie diversen Sitzgruppen aus Stein an Holz. Was niemand, der das urbane Autobahnrisiko verlasst, auf Anhieb vermutet: Auch an unscheinbaren Rastplätzen darf gestorben werden. Zeugnis dafür legt ein frisch angelegtes Holzkreuz ab; auf blechernes Speichermedium druckten Angehörige den Namen ihres thüringischen Rastplatzopfers. Gerne hätten die Russischen Doktoren den Grund jener erlittenen Qualen vor Ort erfahren, denn so viel ist sicher: Rostbratwürstchen töten nicht. Nein, sie besänftigen eher Leib und Hunger. 




Tourmanager Stev bestellt im Schlemmerverschlag eine heftige Portion Bratkartoffeln als sattsame Beilage hinzu. 

Drei Städte in den unterschiedlichsten Bundesländern sind im Tourkalender vermerkt. An diesem märzigen Donnerstagabend, kühl wie das Lächeln giftiger Blondinen, führt der Weg in die Engelsburg nach Erfurt. André Kudernatsch bittet zur Kautsch. The Russian Doctors sind als generöser Musikblock engagiert. Im Nissan herrscht Feierlaune; Veit the Kirsch rückte die kompletten Aufnahmen der Heimatlieder III-CD unwillig - weil noch ungemastert - tags zuvor heraus. Mit Herz, Scharm und Geist wird dem Lustgeschmetter gelauscht. Der Track "Biber" fräst sich wie ein Blitzschlag in den Stev'schen Heuschober-Gehörgang. Dann ist die E-Burg erreicht, Instrumente werden aufgebaut, der Sound wird gecheckt, zum Abendmahl geht es in die Innenhof-Kneipe. Man gönnt und isst sich ja sonst nichts. Auch Natascha, als starke Freundin aus dem gelenken Ilmenau angereist, stellt sich knapp der Kraftmüllerei aus Steaks an Kartoffeln, übergibt druckfrische Tote-Katzen-Shirts an die Abteilung Merchandise, bevor sie sich ins zarte Schwesternschülerinnendress zurrt. Ein Häubchen noch, ein Stethoskop, fertig ist die Assistenz zur Kudernatsch-Show. 

Der Brandrede des Moderators folgend, lockt man Natascha ab 21 Uhr ins Tanzbare, 100-köpfiges Publikum bettelt wie eine wilde Hengsthorde um Liebe. Von kurzer Leine keine Spur. Kudernatsch bittet Herrn Pastuschka, als Hana Jensel-Manager, zum Interview auf die Kautsch, gefolgt von Bauchtänzerin Dschamila, aus der es sehr sächsisch spricht. DJ Kidroyal streut aus die Jingle-Köder, der Programmpunkt "Vogelhochzeit", in dem singende Publikumsmünder mit Schnabel-Oblaten bestückt werden, mündet im Konzert der Russischen Doktoren. Pratajevs Texte im Tierformat "Biber", "Jägerlatein", "Auch die Ratte hat ein Herz", "Tote Katzen im Wind", "Alte Henne" und Co werden mit großer Emphase dargeboten. Zwischendurch füttert Assistentin Natascha Doktor Makarios und Doktor Pichelstein mit Wodka-lauwarm, denn das Zugabestück heißt nun einmal "Jeder Schluck ist ein guter Schluck". 




Viel später, in der Karibik-Bar, verblasst bereits samtene Erinnerung im Doktor-Pichelstein-Universum. Die Erlenholzgitarre macht sich selbständig und erklingt inmitten dickwandiger Gläser. Vergessen ist der Kautsch-Gesang der Erfurter Echolot-Blondine Alexa, die mit ihrem Lied "Fass mich an" oszillierende Tonerzeugnisse von der Bühne gab, wobei an Rex Gildo in Pop gemahnt werden muss. "Hossa" - und schon sprang er aus dem Fenster. Doktor Pichelstein hingegen schläft Kopf auf Karibikholz und vertraut seinen Anmerkern, wahrheitsbeliebig den Tücken der Trunkenheit zu trotzen.



Anmerkung des Stev: 

Trotz nächtlicher Stunde und fortgeschrittener Trunkenheit ufern die Feierlichkeiten unter den anwesenden Pratajev-Verehrern nebst schauerlich schönem Gesang bis zum Tanze Nataschas auf dem Tische aus, der Saal tobt, das anwesende, Pratajev unkundige Fremdpublikum, johlt zur Musik… der Abend ist gelungen!

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