13. März 2004 – Braunschweig, JZ Neustadtmühle
Während Doctor Pichelstein in Kernscher
Privatunterkunft zu Dresden erwacht, hofft er, dass es dem
restlichen Tross in unmittelbarer Hotelnähe gut ergeht. Fröhlich süffisant
meldet sich Tourfahrer Stev am Frühstücks-Mobiltelefon, sagt,
man habe nächtens dem restlichen Absinth nicht die (wie so oft) unbegrenzte
Bewunderung erteilt und sei guter Dinge. Später, am Bahnhof Dresden-Neustadt:
Großes Zusammentreffen unter Gruftrufen Pratajevs, Schloss Wackerbarth im
Visier. Sitzt der Zeitdieb gen Braunschweig auch betulich breit auf Schultern,
ein bisschen Kulturbekunden muss sein.
Sektverkostung par Excellence – das rebenumrankte Elbsandsteingebirge erstrahlt
unter bemühter Sonne.
Doctor Makarios
verteilt die Sorte « Graf von Wackerbarth, trocken». Auf der A14 trifft man im Rasthof Plötzetal die sattsam
bekannte Punkrock-Kapelle „Verbrannte Erde“, gleichzeitig läuft der
Schlager „Ich hab drei Haare auf der Brust und bin ein Bär“
in grausamer Endlosschleife. Diktatorisch geprägte Maxiversionen haben es in
sich. Russische Bärendoctoren kippen zum Ohrentrost Kaffee bei Kippen, Stev
wirft den Motor an, Hansa Rostock erzielt durch Rasmussen das 3:2 gegen Bayern
in München. Wenig später fällt der
Elfmeterausgleich; aktive Trauerarbeit endet erst mit dem Erreichen
Braunschweigs.
Das altstädtische Jugendzentrum
Neustadtmühle wird unterm Sonnenloch erreicht; Veranstalter Andreas Reiffer,
samt Gattin an verlobigt güldenem Weichhaar, begrüßt seine titanen Gäste mit
hausgemachter Soljanka nebst Pizza und Bier. Kalter Wodka steht ab 19 Uhr parat,
doch dafür ist es noch zu früh. Möge doch erst einmal die Zielgruppe, das
Braunschweiger Publikum, zahlreich eintreffen. Es lässt sich nicht bitten, gut
so. Im Vorprogramm wechseln sich die Autoren Henning Chadde und Axel Klingenberg
in einer langen Art Lesemarathon gegenseitig ab; Doctoren scharren ungeduldig
in den Startlöchern. Nach der Pause ab 22:00 startet die Pratajev-Choreographie
unter großem Beifall mit Einspiel und Konzert. Der Kessel der Enthusiasten
jubelt; lange muss gespielt werden, sieben Zugaben werden es bis zum Austrinken
der mittlerweile handwarmen Wodkaflasche.
Schweißnasse Bühnenarbeiter sinken hernach
zu Tische, liegen einigen Ost-Exilanten in den Armen. „Ich hab drei
Haare auf der Brust und bin ein Bär“, säuselt Pichelstein kraftlos dem Makarios
entgegen. Von Pelztoupets, Pelzzungen und unnötigen Haarverlusten ist die Rede
und ob nicht eine Heilstromtherapie, nach Art Pratajevs am Elektrozaun
durchgeführt, gegen unnötigen Samenverlust helfen könne. Kurzum: Der ergebnisoffene
Recherche-Unsinn obsiegt, hochgeführte Diskussionen enden in grotesken
Sackgassen. Doch wie sagte einst Helga Bauer? „Schweigen wird überbewertet. Die
innere Stimme spricht eh chinesisch und ist großer Mist“. Dann senkt sich früh
morgens die schöne Welt übers Schlafhaus im benachbarten Meine. Amseln und Buchfinken
begrüßen den Tag, Doctoren begrüßen die Nacht. Aus den Schlafzimmern heraus
dringt schon bald der liebliche Gesang einer Horde trunkener Krähen.
Anmerkungen des Makarios:
Ja, einen solchen Tourabschnitt kann ein russischer Doktorensänger nicht gänzlich unkommentiert lassen. Der Dankungen gibt es viele zu sagen, der Grüße auch.
Beginnen will ich mit dem guten westfälischen Sponsorherz Micha Mikus, der eigentlich samt speiseölbetriebenem Bus die Docs chauffieren wollte (man muss ja mal raus aus dem Westland...), es aber fünf Minuten vor Ultimo mit der öligen Motorverklebe zu tun bekam und essigsaurer Mi(e)ne zuhause hängen blieb. Der erste kleine Hügel des Teutoburger Waldes erwies sich als zu hohes Hindernis. So kommt nach dem Gruß gen Westen der Dank gen Osten, denn Tourmanager Stev sprang schnell und ohne zögern ein, als es hieß, wir brauchen ein schnittiges Gefährt. Gut, mit der Volvo-Armada von Prumskibeat hält keiner so schnell mit, doch Stevs oft beschriebener Nissan schaukelt uns weich und sicher durchs Land. Dem Erfurter Engelsbürger Micha Rabisch danke ich für einen wunderschönen Kunstkalender und, klar doch, für alles an Wohlorganisation der Auftrittsfolgen wie Karibikbar und Pensionsgemach. Eine Dame darf nicht fehlen. Susanne heißt sie und schwang dereinst wild den Cellobogen bei Die Art. Das Wiedersehen kam überraschend und die anfängliche Nichterkennung sei mir somit verziehen. In Dresden, zumal im Gare de la Lune, gibt es mehrere und große Personengruppen zu grüßen, so dass die Auswahl an Namen keineswegs als vollständig und wertend gesehen werden kann. Ray von den Rockets ward ebenso herzlich umschlungen wie Marco vom Black Magazin, die gesamte Mondbahnhofsbesatzung, der Großenhainer Fanclub, ein reichliches Aufgebot für Prumskibeatles und Russendocs. Zu erwähnen sei auch ausdrücklich, dass der Gare de la Lune wohl zum Schönsten gehört, was dieses Land an Clubs und Sälen zu bieten hat. Besuch ausdrücklich empfohlen. Ja und mein MajorLabelChef Eddie, der den weiten Weg nach Osnabrück noch vor sich hatte, sei mit mehr als einem lieben Gruß bedacht, sondern gleichzeitig mit besten Wünschen für große Vinylerfolge überhäuft. Ein Schiff geht auf die Reise und kommt als LP zurück. Der Dank dafür ist vorab schon groß. Braunschweiger Veranstaltern und Subh-Verlegern sei für einen gelungenen Abend und ein köstliches Lachsfrühstück gedankt. Herz was willst Du mehr....
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