Saturday, September 02, 2006

Shoediver & Pichelstein-Support

22. November 2003 - Kamenz/Safe Club

Ausgezeichnet haben die Doktoren samt Tourmanager genächtigt, wurden gestärkt auf die Reise geschickt. Der "Safe Club" in Kamenz wartet als heutiger Ort der Verheißung auf die Ausbreitung der Ära WISSMUT, dem Nachfolgeprojekt von DIE ART. Pichelstein agiert als hartsaitige Vorband - Schlagzeug, Bass, Gitarre versteckt in wacher Hinterhand. Noch ist es nicht so weit. 

Knapp jenseits der tschechischen Grenze, am anderen Ende der Noch-EU-Karte, beginnt Asien. Man will gar nicht glauben, was geschieht. Hunderte Vietnamesen, Chinesen, Thai- und Highlander rufen im Chor: "Zigaretti? Billig Zigaretti!" Für reisende Musiker wird jeder Ort zur Kulisse. Wie Therapeuten auf rohen Eiern durchschreiten die Nissanritter den Markt aus Holzbuden, Wohnwagen und Puff, füllen Tüten und einen günstig erworbenen Korb aus Hartbast mit Schuhen, Lurchledergürteln, Pullovern, Schnaps, Schokolade und drei Stangen Zigaretti. Auf dem Rückweg kontrolliert ein Mann in Ganja-Grün die Mitbringsel, doch Doktoren wissen, was erlaubt ist. Der Uniformierte sagt, dass das nicht immer so ist, wünscht aber einen schönen Tag im Zittauer Gebirge. Doktor Pichelstein singt zur Strafe ein Heimatlied von Anton Musik, der seine Tonträger im Hotel-Restaurant "Rübezahlbaude" an der Hauptstraße 165 in Waltersdorf zur Schau stellt. Jeden Samstag, am Tanzabend, singt er auch live. 

Drei Rehbraten mit gewagter Schwarzwurzelbeilage, Kaffee, Alster und dunkles Steiger kredenzt der Wirt Herr Hüttel an Tisch 4. Draußen ziehen Samtwolken über den Beton. Pepita tragende Rentner am Wanderstock stimmen sich auf Anton Musik ein. Bis nach Kamenz sind es gut 1,5 Stunden; das Tourautoradio bringt weltliche Sprachexentrik pur. Statt Fußball auf MDR INFO geben sich tschechische, polnische, britische, deutsche Stummelsender die Frequenzstäbe in die Hand. Irgendwo fällt ein Tor - oder ist es ein Schwarzwurzelausbruch auf einem der Nissansitze? Während das Reh an sich einer gewöhnlichen Verdauung anheim fällt, verursachen die Wurzeln bereits kurz nach dem Verzehr ungeheuerliche Naturierung. Nach Ankunft im "Safe Club" Kamenz, an der Pulsnitzer Straße 11, folgt darauf Kompostierung. Der Empfang ist ehrenvoll, nur die Monitoranlage zur Beschallung der Bühnenmusiker, fällt aus dem wohl tönenden Rahmen beim Soundcheck. 

Pichelstein spielt so schnell wie nie den Punkrock auf der Akustikgitarre, der Saal füllt sich mit jedem Song mehr. Als Wissmut in den Boxring steigen, springen die Verschwitzten über die Gesitzten, tobt der Spirit of DIE ART hemmungslos bei alten Stücken wie: "(I love you) Marian" und neuen Songs wie "Tanz mit mir". Ein Fan wird zum Shoediver, die Chöre erklingen beim Klassiker Das Schiff. 




Im Backstage ist es voll wie einst auf der Kap Anamur; Makarios und Pichelstein geben ein kleines Pratajev-Konzert zum Trinkgelage. Im Flüssigrausch des Morgens verschwinden Conne, Mark, Gumpi, Makarios, Stev, Pichelstein in die Gunst einer hergerichteten Pension um die Ecke und schlafen Glücksräusche aus.
Am verlängerten Sonntag, auf der Heimreise, arbeitet der Verstand im Tourauto langsamer als die gar nicht mehr ausgewuchteten Reifen holpern können. Die Fantasie reicht gerade noch für einen Aral-Rastplatz, auf dem ein gelber Engel im blauen Overall zumindest ein Ersatzgummi aufzieht. Vorbei an Zapfsäulen, doch mit recht leerem Tank, geht es weiter. Bis die blinkende Armatur letzte Tropfen Sprit verkündet. Wie gut, dass die Abfahrt Grimma in nahes Auge rückt / Denn Glück hat sich genug gebückt / Muldentaler Kennzeichen wollen dir noch an den Kragen / Oh bremsender Nissan / Bist ein guter Wagen.

Anmerkung des Stev: Beim neuen "Rundblick vom Turm" schwoll die Brust des Autoren zu Recht / fanden es doch die Fans nicht schlecht!

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