Nordhausen wurde einst berühmt durch seinen Schnaps. Den Nordbrandkorn aus Nordhausen verschmäht auch der Wanderer am Kyffhäuserdenkmal nicht, wenn er stehenden Fußes und sehenden Auges zur Flasche mit dem Logo eines betrunkenen, wohlmöglich russischen Bären samt heraushängender Zunge greift.
Makarios und Pichelstein tun es ihm um die Nachmittagsuhrzeit zwar nicht gleich, wagen aber einen Rundblick vom Turm, Herzen voll Glück, Kultur und Landschaft im Sinn. Thüringen, oh Du wundervolles Land. Auf dem Kyffhäuserdenkmal kann man für nur vier Euro Eintritt über Dich hinwegsehen. Nur Barbarossa darf das nicht; der versteinerte Italienkrieger thront als Monument in einer Grube, über ihm wiehert das Bronzepferd Wilhelm des Ersten und prescht hinein, ins Tor der Geschichte. Ein Splitterorden grauhaariger Löckchentouristen kocht vor Freude wie Kamillenteewasser und darf es später im Kyffhäuser-Hotelrestaurant für 50 Cent abschlagen. Die mittelalte Bedienung Frau Erdmann berechnet in der Zwischenzeit dem Heimatliedertross Hirschbraten, Wunschessen, Kaffee und Urkrostitzer an Gasttisch Nummer 9. Serpentinen bewältigt das Tourauto, fährt durch satanistisch geprägte Kleinöden an Kirmesbettlaken vorbei, hinein in die Altstadt Nordhausens zur Café-Kneipe "CK3". Der heutige Auftrittsort, umrahmt von verträumelten Gassen, randvoll mit begrünten Sanierungsaltbauten ohne Dach. Während Makarios den Schlaf des gerechten Sängers nachholt, bedient Kellnerin Sieben im "Eiscafé Adam" Doktor Pichelstein mit doppeltem Espresso-Grappa, oh ja. Heiß muss er sein, denn Nordhausen hält sich nur knapp über der Gefriergrenze.
Alles klappt wunderbar. Nachtschattengewächse blühen auf. Die Menschen im Club sind freundlich, der Techniker ein begnadeter Daniel Düsentrieb, viele Pratajev- und DIE ART-Fans sind aus dem Harz angereist, mit psychologischen Grundkenntnissen der Uni Jena füllt die Bedienung alle Gläser immer randvoll. Das "CK3" bekommt ab 21:30 Uhr erste Heimatlieder eingeschenkt, am Tresen hockt viel Volk, vor der Bühne weniger. Lange dauert es, dann bricht der Bann. Es ist Freitagnacht in Nordhausen, als doch noch heftig getanzt wird, als Postkarten mit Autogrammen verziert werden, als der Morgen wie Eiswein reift, als Pichelstein den Simplicissimusexperten Olaf Gulbransson an den Ausstellungswänden im "CK3" strichelnd entdeckt, bis der Taxiservice Dastig den Konsum von grünem Absinth durch verfrühte Anreise - vielleicht auch glücklicherweise - vereitelt.
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