Sunday, September 03, 2006

Mutig ins Gebäck gebissen


14. August 2005 / Pirna I und II 
Ein grün durchwachsener Keks 

Die 4. Hofnacht zu Pirna lockt zahlreiche Menschen ins Elbische; zugestopft sind die Gässchen der Altstadt, der Tourbus zieht sich mühsam übers Kopfsteinpflaster. The Russian Doctors stoppten vorher an der Pillnitzer Landstraße in Dresden, um DD-Booker Mirko einzufrachten. Zurück blieben leere Kaffeebecher, ein Holzhund und einige unrasierte Jungkatzen. 

Die Lange-Straße ist das Ziel; Anlage und Instrumente werden in den lauschigen Hoch-Hinterhof eines der Dutzend Romantikhöfe gebracht, der Sound klingt fein, es regnet nicht, welch Wunder. Publikum strömt durcheinander mit viel Gewese, schwenkt Weinkrüge, sitzt früh auf Bänken vor der Bühne und beklatscht bereits den Soundcheck. Doktor Makarios hält eine Pratajev-Laudatio; richtig voll wird der Hof und so starten die Doctors rasch, bevor auch die Bühne noch Stehplatz wird. Schön, die Reisegruppe aus der ersten Reihe, klatscht und belfert anfeuernd. So was kam ihnen noch nie ins Ohr. Songs wie "Schleim am Arm", "Lange Haare" - alles kulturelles, tiefes, russisches Neuland. Eine Hamburger Radwander-Familie kämpft indes mit Freudentränen als Doktor Makarios die "Toten Katzen im Wind" nach dem "Besonderen Vorkommnis" anstimmt. Wahrhaft, ein Publikum, das Pratajev gerade erst entdeckt, ist ein dankbares. Doktor Pichelstein schrammt die letzten Akkorde vorm Ende des ersten Gigs, der zweite soll in einer Stunde, gegen 23 Uhr, gespielt werden. Nachhaltige Gutlaunigkeit erleichtert schwer den Merch-Koffer um viele Platten und Bücher.


Positionswechsel auf der Bühne; Doktor Pichelstein muss ans künstliche Licht, es dunkelt schwer. Mit balkenhaft versuchter Eleganz gelingt es den Betrunkenen den Hoch-Hof zu erklimmen. Pfarrer Mikus lehnt vom Veranstalter bereitgestelltes THC-Gebäck dankend ab, Doktor Pichelstein wird ein grün durchwachsender Keks in die Sakkotasche gestopft. Doktor Makarios beginnt: "Veterinäre aus Murmansk". Das Dorado der Hofbesucher ist der Ausschank, es füllen sich Bänke bis Stehplätze und bis zur letzten Zugabe herzen Pratajevs Wanderwahrheiten die Menschen in Pirna. Die minderen Momente des Lebens werden beiseite geschoben und als Doktor Pichelstein viel später mutig ins Gebäck beißt, wird die Wahrheit geboren, dies doch in Zukunft besser nicht mehr zu tun. Auch ein tiefer Schnellschlaf in der Dresdener Herberge hilft nicht wirklich.

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