Als der Film "Pratajev im Teehaus Protnik" im Juli dieses Jahres in der Stötteritzer Margerite gerade abgedreht war, handelte sich Produzent Doktor Pichelstein ein Versprechen mit Originalwirt Achim Richter ein. "Gut, Ihr habt meine Kneipe beim Dreh völlig leer getrunken, Chips und Erdnüsse sind auch alle, für den Strom berechnen wir ein paar Euros, dafür müsst Ihr aber bei mir am 18. September Euren Film zeigen und danach wie die Berserker aufspielen." An solche Versprechen wird man stets erinnert und so kommt es, dass The Russian Doctors gegen 19 Uhr in der ehemals als Irrenanstalt genutzten Anlage aus dem Auto steigen, Instrumente auf die Bühne stellen und zur angethekten Glasfüllung eifern.
Der mittlerweile zum gemeinnützigen e.V. mutierte Filmtross um Kameramann Ralf Esche ist beinahe vollzählig versammelt. Nur Tourmanager Stev dümpelt irgendwo im fernen Thüringen auf einem klapprigen Damenrad umher. Tradition, Kult und Bratwurst veranlassten ihn dazu, womit im Grunde Thüringen selbst gut beschrieben ist.
Sehr lange werkelt und schraubt eine später aufspielende Jazzkapelle am antiken Aktivboxen-Anlagengewirr herum, das einfach keinen Klang erzeugen, sondern den Jazz von ganz alleine heulen will. Nachfolgende Autoren des Stötteritzer Kulturfestes schwanken durch die Eingangstür. Frau Pilling und Herr Wollenberg sind es, beide vermitteln den Eindruck, dass Röntgenbilder oft schöner sind, als der Mensch selbst. Frau Pilling hat sich besonders rausgeputzt und trägt kopfwärts eine weiße Netzmütze, durch die grober Kahlschlag schimmert. Herr Wollenberg, der gleich nach den Doktoren die Bühne erschwanken wird, gibt den Schlumpfvater Abraham im Endstadium und scharwenzelt wortgewaltig um Doktor Makarios herum: "Wir beide auf einer Bühne!" Da möchte das Leben einfach nur an einem vorbeiziehen.
Die Margerite füllt sich bis zum letzten morschen Holzstuhl, Herr Esche startet den Beamer; der Film beginnt nach knapper Laudatio der Doktoren. Im Abspann läuft zeittechnisch bereits das Konzert; mit großem Furor werden tierische Lieder Pratajevs begrüßt. Beim "Schlips aus Lurch" bricht ein fülliger Massimolide im Publikum mit seinem Stuhl zusammen und bleibt liegen. Die Gitarre schwingt wie eine manische Motte im Kerzenschein umher; Euphorie, die sich verinnerlicht. Und das in Stötteritz.
Nach kurzer Umbaupause belfert Herr Wollenberg Brecht'sche Baale in die Runde. Immer wieder lebt die "Komüne, es lebe die Komüne" mit schräg nach oben geschraubten Seemannsoktaven. Flucht ist es, die antreibt. Frau Doktor Pichelstein radiert mit quietschenden Audi-Reifen eine Spur auf den Asphalt und rettet ihren Gatten vor Wundschorf aus wehen Ohrmuscheln. Doktor Makarios hingegen verschüttet Güte und bleibt noch ein bisschen, bis Pratajev-Darsteller Herr Krause motorisiert zum Geländegewinn aufruft.


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