Sunday, September 03, 2006

Der zweite Film: Der Wirt und DU

18. - 21. August 2005 / Filmdreh: Pratajevs Wanderjahre

Von wegen Bonjour, Tristesse! Die Sonne kommt zur Vernunft und ist am Drehwochenende mal nicht das Trojanische Pferd, für das man sie in den letzten Wochen getrost halten konnte. Am Donnerstag, ab 16 Uhr, finden die letzten Stellproben für den zweiten Pratajev-Film am Haupt-Drehort, der Magerite in Leipzig-Stötteritz statt. In langen Wochen zuvor wurde der Film durch die Filmkult Leipzig geplant, wurden Rollen gecastet, wurde C.S. Linientreu als Grafiker verpflichtet, Wolfgang als Kameramann engagiert, das Drehbuch noch und nöcher umgeschrieben. Selbst beim Cateringservice wurde umgeplant, der Filmbus bestellt, die Technik gesichtet, Requisiten beschafft usw. Als letztes trafen zwei handgefertigte Zipfelmützen aus Erfurt ein und so ist schließlich beisammen, was beisammen gehört. Im Vorhof der Magerite probt der Choreograph mit den 6 Kriminalkommissars-Assistentinnen die Pavlowitsch-Szene, in der später Max Reeg den Kommissar geben wird. Regisseur Ralf Esche treibt die Schauspieler der einzelnen Innen-Szenen auf die Bühne, entspannt und locker läuft der Tag zur Nacht über. Noch ein paar Runden im Flowerpower, dann ist Freitag, der 19.


Leipzig staut sich zur Blech-Völkerschlacht am Denkmal; Pfarrer Mikus quält den blauen Bus über die Prager Straße zum Außendreh nach Probstheida. Der Park am Bruno-Plache-Stadion ist erste Szene; Pratajev-Darsteller Herr Krause windet sich im Dreck, ersticht eine Wildschweinbache. Volly Tanner, Herr Pauli, Rüsselhund Balou spielen sich in Szene, Doktor Makarios sitzt im Schaukelstuhl und rezitiert Schiller. Doktor Pichelstein stimmt die Gitarre, den "Schlips aus Lurch" fängt die Kamera ein; nach 4 Morgenstunden geht's zum nächsten Drehort, zur Schlussszene nach Stötteritz. Große Tumulte, dann wieder Doktor Makarios als Professor für Medizinische Schriften.


Im Auditorium sammeln sich die Statisten; es wird Abend.
Max Reeg, auch als "Die Frau von Opa Unger" bei Radio PSR mehr als Begriff, belfert, kreischt und winselt den Pavlowitsch, dass es schöner kaum sein kann. Regie, Regieassistenz, Kamera, Ton und Licht befeiern sich gegenseitig. Die Choreographie gelingt prächtig unter Discogeflacker. Making-Off- Kameramann Herr Nüchterlein hält jede noch so kleine Ironie fest. Pfarrer Mikus tut's ihm gleich. 

Drehsamstag: Von Früh bis 18 Uhr Szene "Medizinische Schriften" - Ane Kretschmar als Schwesternschülerin, Leonard Emaro als Matrose, der seinen Namen auf See über Bord warf; Pratajev ist Szenedoc, der dem Matrosen ein von Holzwürmern befallenes Auge richten soll. Die Würmer aus dem Fischgeschäft erweisen sich unter den Scheinwerfern als quicklebendig und dringen immer wieder unter die Pastellmasse, die Leonard Emaros linkes Auge bedeckt. Pause bis 20 Uhr. Dann Szene "Beim Bücken" mit Henner Kotte als Verleger Wallgold und Muriel Zibulla als Irina, der sehr jungen Verlegerpraktikantin. Man sieht Pratajev-Darsteller Herrn Krause den Job der letzten Tage an; textsicher spielt er zu, gibt den Pratajev, wie er sein soll: Immer etwas verwundert darüber, warum irgendeine herzhafte Sottise gerade ihm geschieht, ihm, der doch nur die Finger vom Stift der Poesie nicht lassen kann.


Am Sonntag: Aufräumarbeiten bis nachmittags, die Magerite erhält ihren Ursprung als Kulturkneipe zurück. Die Regie filtert bereits Gedanken, die längst im Schneideraum sein wollen und so darf stark vermutet werden, dass "Der Wirt und Du - Pratajevs Wanderjahre" bereits Ende des Jahres in den ersten Programmkinos rund um Leipzig zu sehen sein wird.



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